Montag, 10. November 2014

Versprechen & Wahrheit - Cloud Services und die Sicherheit von Onlinediensten


Teil 1 - E-Mail Marketing, Newsletter and Bulk SMS Dienste

Jeder von uns gibt fast täglich direkt oder indirekt persönliche Daten an alle möglichen
Onlinedienste weiter. Diese Dienste sind zum Beispiel soziale Netzwerke, Webmail
Plattformen, Online-Kalender und Dokumentablagen, Internet Chats, Smartphone Apps,
private und persönliche Cloud Dienste. Personenbezogene Daten (oder engl. PII - Personal Identifiable Information) in Formularen im Internetbrowser einzutippen ist heutzutage fast schon zur Routine geworden. Unter den Begriff PII fallen Daten, wie Name, Adresse, E-Mail Adresse, Geburtsdatum, Handynummer und noch vieles mehr. Hoch sensible persönliche Daten, wie Kreditkartendaten, Passwörter, Versicherungs- oder Bankdaten zählen ebenfalls zu dieser Kategorie. Im Falle eines Datendiebstahls oder -missbrauchs, können die entwendeten Daten der betreffenden Person starke Kopfschmerzen verursachen und ihr sogar finanziell oder im sozialen oder beruflichen Umfeld schwer schaden. Aus diesem Grund sind solche Informationen auch vom Gesetzgeber besonders geschützt.

Sicher ist diese Tatsache vielen von uns bewusst und die Daten werden oft nur eingegeben,
weil es notwendig erscheint. Außerdem handelt es sich meist um renommierte Firmen,
denen man seine PII überlässt. Ein gängiges Beispiel ist ein Onlinedienst, über den man eine Reise oder einen Flug buchen möchte. Die Kreditkartendaten zur Abbuchung überlässt man gerne, wenn man dafür günstig und unkompliziert verreisen kann. Wenn die Aufforderung zur Eingabe der persönlichen Daten legitim erscheint und dem persönlichen Ziel dient, sind die meisten Menschen zur Herausgabe Ihrer Daten unverzüglich bereit, besonders, wenn die Webseite des Unternehmens mit Tausenden oder gar Millionen glücklicher Kunden wirbt.

In der kommenden Blogartikel-Serie, wollen wir Ihnen einen Einblick hinter die Kulissen der
Sicherheitsversprechen in unserer digitalen Welt und dem Cloud-Zeitalter des Internets
geben. 

Der erste Teil unserer Artikelreihe dreht sich um E-Mail Marketing, Newsletter und Bulk SMS
Service Provider. Da wir für unser eigenes Unternehmen schon seit Monaten nach einem
guten und sicheren Newsletter-Tool suchen, um unsere Kunden und Partner über
Neuigkeiten auf dem Laufenden zu halten, haben wir uns 3 solcher Onlinedienste genauer
angesehen. Die meisten Unternehmen, ob klein oder groß, versenden ihren Newsletter auf
diese Art und Weise. Jedes dieser Unternehmen hat wiederum hunderte, tausende oder
hunderttausende eigene Kunden und Partner, welche natürlich mit allen verfügbaren Daten
in diesen Systemen abgespeichert werden, um die entsprechenden Email-Newsletter zu
erhalten.

Als IT-Sicherheitsexperten sind wir quasi dazu verpflichtet uns neue Software, neue
Technologien und alles was mit dem Internet zu tun hat, sehr genau anzusehen. 
Bei näherer Betrachtung von diesen 3 Newsletter-Systemen sind uns in allen kritische
Schwachstellen aufgefallen, die es uns erlaubt hätten auf fremde Daten zuzugreifen. Wir
waren innerhalb kürzester Zeit in der Lage, beliebigen Programmcode einzuschleusen, die
Datenbanken auszulesen und Kreditkartendaten zu stehlen.

Die gefundenen Schwachstellen wurden von uns, in Koordination mit dem Bundesamt für
Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dem US-Cert (Computer Emergency Resonse Team), an die Unternehmen gemeldet. Die gefundenen Schwachstellen wurden laut der Unternehmen beseitigt.

Obwohl diese Newsletter-Systeme nun abgesichert wurden, gehen wir davon aus, dass
ähnliche kritische Schwachstellen in den Newsletter-Tools zahlreicher anderer Anbieter
ebenfalls zu finden sind. Wir raten Unternehmen, die derartige Tools nutzen wollen, einen
Herstellernachweis über durchgeführte Sicherheitstests (Penetration Tests) der Software
anzufordern oder zu einem anderen, getesteten, Anbieter zu wechseln.

Ob und in welchem Umfang PII von Cyberkriminellen gestohlen wurden, lässt sich schwer
sagen, jedoch muss man anhand der Sachlage davon ausgehen.

Um Ihnen die Möglichkeiten eines Hackers nach einem solchen Einbruch in eines der
erwähnten Systeme zu veranschaulichen, haben wir im Folgenden ein realistisches
Angriffsszenario skizziert:


Angriffsszenario: Großangelegter Online-Banking-Betrug

Trojaner für Online-Banking werden als kommerzielle Produkte ab einem vierstelligen
Eurobereich auf dem Schwarzmarkt vertrieben und häufig verwendet. Oft wird die Infizierung der Opfer von den Softwareherstellern oder von Partnerunternehmen zusätzlich angeboten. In diesem Szenario wird davon ausgegangen, dass Cyber-Kriminelle diesen Teil selbst erledigen.

Ein Cyber-Krimineller, der seine Opfer über Online-Banking betrügen möchte, besorgt sich
eine derartige Software. Sein Ziel: möglichst viele Personen mit dem gekauften Trojaner zu
infizieren. Ist die Software beschafft, muss diese demnach großflächig unter die potentiellen
Opfer gestreut werden.

Auf der Suche nach einer Liste möglicher Opfer mit gültigen Emailadressen kommen
unserem Hacker sofort in der Cloud angebotene Newsletter-Systeme in den Sinn. Dort
sammeln Unternehmen unterschiedlicher Größe personenbezogene Daten ihrer Kunden wie Emailadressen und häufig Mobilfunknummern (unternehmensintern und privat). Der Hacker wählt einen vielversprechenden Kunden des Newsletters aus und versucht an die
hinterlegten Kundendaten heranzukommen.

Die Anbieter der cloudbasierten Newsletter-Lösungen bieten fast immer kostenlose Demo-
Zugänge zu den Systemen an, um potentielle Neukunden zu gewinnen. Dieses Angebot
nimmt der Angreifer gerne an und durchsucht mit seinem Demo-Zugang den Dienst nach
Schwachstellen, die er verwenden kann, um an die Kundendaten einer Zielfirma zu gelangen.

Schnell stellt er fest, dass ein Abonnent bei der Registrierung zu einem Newsletter über die
Pflichtangaben hinaus Adressinformationen mit angeben kann, die das Newsletter-System
ungefiltert entgegennimmt. Er gibt anstatt der Adressinformationen Programmcode ein, der
später ausgeführt werden soll. Dieser wird vom Newsletter-System gespeichert. Betrachtet
ein Mitarbeiter der Zielfirma die Liste der neuen Abonnenten, werden die vermeintlichen
Adressdaten ungefiltert ausgegeben, wodurch der dort versteckte Programmcode im
Browser des Mitarbeiters der Zielfirma zur Ausführung kommt. Ab diesem Zeitpunkt kann
der Hacker genau wie der Mitarbeiter der Zielfirma im Newsletter-System agieren.

Nun erstellt der Hacker einen neuen Newsletter und versendet diesen an alle Abonnenten
und damit an alle Kunden der Zielfirma. In den Newsletter baut der Hacker einen Link auf
einen augenscheinlich interessanten Artikel oder ein attraktives Gewinnspiel ein. Tatsächlich
zeigt der Link auf eine Webseite unter Kontrolle des Hackers. Die Abonnenten vertrauen dem bekannten Newsletter und folgen dem Link auf die vom Hacker kontrollierte Webseite. Mit dem Besuch der Seite wird der Rechner des Opfers ohne sein Wissen mit einem Trojaner infiziert. Der Hacker hat den Trojaner vorab so manipuliert, dass er selbst von Anti-Viren-Software nicht erkannt wird. Sobald der Trojaner installiert wurde, meldet er sich beim Hacker und informiert diesen über die erfolgreiche Kompromittierung. Der Angreifer hat jetzt den für das Online-Banking benutzten PC des Opfers unter seiner Kontrolle und kann beginnen Online-Banking Passwörter auszulesen und die Konten zu leeren.

Sollte das Opfer aus Sicherheitsgründen mTAN verwenden, liest der Hacker nun die
Mobilfunknummer des passenden Opfers aus dem Newsletter-System aus. Er sendet einen
passenden Smartphone-Trojaner direkt an die Mobilfunknummer des Opfers oder fährt
selbst in eine Filiale des Mobilfunkanbieters und lässt sich eine SIM-Karte zur selben
Nummer ausstellen. Dass dies in vielen Fällen möglich ist, haben zahlreiche erfolgreiche
Angriffe z.B. auf Postbankkunden mit Mobilverträgen bei O2 in den letzten Monaten gezeigt.

Der Hacker kontrolliert jetzt nicht nur den PC des Opfers, sondern kann zusätzlich
eingehende Kurznachrichten lesen. Das reicht aus, um per Online-Banking Geld vom Konto
zu stehlen, wenn das Opfer mTAN als Sicherheitsmechanismus benutzt. Gelegenheit macht
Diebe und so kopiert sich der Hacker zusätzlich alle auf dem Rechner gespeicherten
Kontaktdaten und Passwörter, um diese auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen.

Bei einem Opfer hat der Hacker besonders Glück. Es handelt sich um den Arbeitsplatz eines Ingenieurs eines mittelständischen Maschinenbauers. Die dort gespeicherten
Konstruktionspläne erzielen bei konkurrierenden Unternehmen einen hohen Preis.

Wer agiert hier fahrlässig? Der Hacker alleine, oder auch das Unternehmen, das seine
Kundendaten unzureichend absichert? Der Gesetzgeber wegen zu lascher Gesetze? Gar der Benutzer selbst, weil er seine Daten zur Verfügung gestellt hat? Aus zahlreichen Projekten bei Unternehmen unterschiedlichster Größe (Mittelstand - DAX 30) wissen wir, dass es oft am nötigen technischen Knowhow und dem Bewusstsein der Mitarbeiter mangelt. Weitere Ursache vieler Probleme ist ein zu niedriges Budget für IT-Sicherheit. Hinzu kommt, dass die weit verbreitete Mentalität vorherrscht, sich erst um die IT-Sicherheit kümmern zu müssen, wenn es einen "Business-kritischen" Vorfall gab. Diese Denkweise kann sowohl für die Kunden, als auch  für das Unternehmen im Ernstfall einen enormen Schaden verursachen, der vorab meist einfach abzuwenden gewesen wäre. Wir sehen hier vor allem die Wirtschaft in der Pflicht, zukünftig verstärkt zu investieren, um alle Bürger vor digitalen Angriffen bestmöglich zu schützen.

Blog-Autor Sascha Herzog ist Geschäftsführer und Mitbegründer der NISDE ATTACK LOGIC GmbH. Er arbeitet seit über 10 Jahren in der IT-Security und als Penetration Tester. Er führte Penetration Tests und simulierte Angriffe bei zahlreichen Unternehmen in Europa durch. Herr Herzog leitete Projekte bei namhaften Kunden wie globalen Finanzinstitutionen (u.a. im Bereich Geldautomaten-Hacking), Versicherungen, internationalen Medienkonzernen, Regierungseinrichtungen, Pharma- und Energieunternehmen, sowie zahlreichen Kunden aus dem Mittelstand. 

Die NSIDE ATTACK LOGIC GmbH ist spezialisiert auf hochwertige technische Penetration-
Tests und realitätsnahe Simulationen von IT-gestützter Betriebsspionage. Des Weiteren
bieten wir Live-Hacking Workshops und Mitarbeiterschulungen an.

Disclaimer:
Die NSIDE ATTACK LOGIC GmbH hat nach der Bestätigung, dass alle gemeldeten Schwachstellen entfernt wurden keine weiteren Tests an den Anwendungen durchgeführt und kann somit nicht für die finale Sicherheit der Anwendungen garantieren.

Mittwoch, 6. August 2014

BadUSB – Böse Tastaturen erkennen!

Seit wenigen Tagen eilt die Nachricht durch die Medien und erschreckt weltweit Computernutzer: Die Berliner Firma SRLabs hat eine neuartige Angriffstechnologie entwickelt, die es erlaubt jedes USB-Gerät als Waffe zu missbrauchen und wird diese Methode am 7.8.2014 im Rahmen der BlackHat Konferenz in Las Vegas vorstellen. [1]

Die Reaktionen auf diese Ankündigung sind sehr verschieden. Von manchen Seiten wird die Chance auf Sicherheit von Computern zu Grabe getragen und der Kampf gegen Cyber-Kriminalität wird endgültig als verloren gemeldet. [2] Von anderen Seiten wird wiederum darauf hingewiesen, dass diese Angriffe bereits seit mindestens 2011 bekannt und durchführbar sind. [3] Wenn man das Internet nach dem Produkt „Rubber Ducky“ durchsucht, findet man sogar kommerzielle Werkzeuge um solche Angriffe durchzuführen. [4]

Bei der Methode von SRLabs werden USB-Geräte durch eine neue Software (Firmware) innerlich in andere Geräte umgewandelt. Ein Speicherstick oder eine Digitalkamera kann durch die aufgespielte Software so modifiziert werden, dass daraus ein WLAN-Adapter oder eine Tastatur wird. Zumindest denkt das der Rechner, an den das Gerät angesteckt wird. Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Rechner ein Windows, MAC OS X oder Linux Betriebssystem besitzt. Besonders gefährlich sind Geräte, die zu einer USB-Tastatur umfunktioniert wurden. Über diese lassen sich in Bruchteilen einer Sekunde und ohne Benutzerinteraktion beliebige Befehle „eintippen“. Der Rechner des Opfers kann somit beispielsweise mit Schadsoftware infiziert und im Anschluss über das Internet ferngesteuert werden. Zusätzlich umgeht diese Version gängige Sicherheitsmechanismen in Hochsicherheitsumgebungen. Sogenannte USB-Blocking-Software blockiert meist nur unbekannte USB-Speichermedien, nicht jedoch USB-Tastaturen oder Mäuse, da sonst ja die Bedienung eines Rechners erheblich erschwert werden würde.

So gefährlich und aussichtslos das klingen mag, es gibt einen Lichtblick: Fast alle Angriffsszenarien, außer der „bösen Tastatur“, lassen sich durch USB-Blocking-Software eindämmen oder durch fehlende Administratorrechte der Benutzer verhindern. Angriffe mit vorgetäuschten Tastaturen können nur schwer verhindert werden, sind aber auf dem Monitor des Opfers sichtbar. Schließlich muss diese Tastatur die gefährlichen Befehle auf der grafischen Oberfläche des Rechners erst einmal tippen. Dieses Tippen kann vom Opfer auf dem Bildschirm erkannt werden, wie in dem folgenden Video zu sehen ist:



Im Video sehen Sie, wie unser manipulierter USB-Raketenwerfer (besonders bei IT affinen Menschen, wie Systemadministratoren beliebt) nach dem Einstecken rechts das Menü öffnet. Dort wird, kurz erkennbar, ein Befehlt ausgeführt. Das alles dauert nur wenige Augenblicke. Wie Sie sich nach unserer kurzen Einführung nun sicher denken können, handelt es sich in Wirklichkeit nicht mehr nur um einen Spielzeugraketenwerfer mit USB-Anschluss, sondern zudem um eine eingebaute Tastatur, die beim Einstecken Tastaturbefehle absetzt.
Dem Angreifer wird kurz nach Ausführung unserer Malware auf dem USB-Gerät die entfernte Steuerung des Opfersystems online übertragen, ohne dass das Opfer etwas davon merkt, die Firewall etwas blockiert oder das Antivirensystem etwas erkennt. Der Rechner steht vollständig unter fremder Kontrolle:



Das große Problem im Unternehmensumfeld:
Wenn der Benutzer etwas bemerkt, ist es zu spät. Dann hilft nur noch schnelles Handeln! Das Opfer sollte den Vorfall umgehend einem Sicherheitsbeauftragten melden, damit dieser Gegenmaßnahmen einleiten kann.


  • Prägen Sie sich den Vorgang ein und zeigen Sie das Video Ihren Kollegen und Mitarbeitern, damit diese den Angriff erkennen können.
  • Kennen in Ihrem Unternehmen alle Benutzer die Ansprechpartner und Prozesse bei Sicherheitsvorfällen? Nein? Nicht sicher? Dann ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, diese wesentliche Information aufzufrischen.

Nur wenn Mitarbeiter einen solchen Angriff erkennen können, den zuständigen Ansprechpartner kennen und dadurch Sicherheitsvorfälle rasch und zuverlässig melden, lässt sich der Schaden eindämmen, der durch einen trojanisierten Rechner unter der Kontrolle Krimineller entsteht.
Wenn Sie Fragen haben, wie man sich auch technisch davor schützen kann oder Hilfe benötigen: Sprechen Sie uns einfach an!

Ihr NSIDE Team.

[1] https://srlabs.de/badusb/ (aufgerufen: 5.8.2014 18:00)


Montag, 4. August 2014

Innen ist das neue Außen


Wir alle kennen diese Szenen aus dem Kino oder Fernsehen: Ein "Hacker" soll in ein System eindringen, um Daten zu beschaffen. Er scannt das System, findet in Sekundenschnelle eine Schwachstelle, probiert automatisch einige Passwörter und ist in wenigen Augenblicken am Ziel. Heutzutage dürfte so ein Szenario nicht einmal mehr im Film vorkommen, denn die Angriffstaktiken haben sich drastisch verändert und stellen den Verteidiger erneut vor einen Haufen Arbeit.

Aus filmischer Sicht würde sich das Publikum wahrscheinlich langweilen, wenn der Protagonist stundenlang an einem Exploit bastelt oder mehrere Tage Passwörter durchprobiert. Trotzdem sind die Grundzüge dieser Szenen richtig und hatten starken Einfluss darauf, wie wir Bedrohungen wahrnehmen und vor was wir uns schützen möchten: Der Angreifer kommt aus dem Internet und greift direkt von außen auf verwundbare Systeme zu. Das ist zweifellos ein valides Angriffsszenario und war früher die Regel.

Aufgrund der vielfachen Angriffe von außen wurden von den Verteidigern entsprechende Gegenmaßnahmen entworfen, z. B. neben einem guten Patch-Management und Viren-Scanner, eine Firewall zu installieren. Die Firewall hat durch das Abtrennen der Netze und durch das Einschränken der Verbindungen die Angriffsfläche im besten Fall auf das Nötigste verringert. Manche normalisieren sogar die Datenströme und analysieren bis tief in die einzelnen Protokolle, um auch unbekannte Angriffe abzuwehren. Jedoch werden Angriffe auf Passwörter durch Zwei-Faktor-Authentisierung aus unserer Sicht leider noch zu selten abgesichert.

Zielscheibe Mensch

Für einen Angreifer sind die direkten und altbewährten Pfade inzwischen sehr beschwerlich. Für einen vom Forschergeist getriebenen Hacker kann das Austricksen dieser Schutzmechanismen zwar eine sportliche Herausforderung mit Sex-Appeal sein. Aber von Individuen dieser Art geht immer seltener eine Bedrohung aus.

Durch die Professionalisierung der Internetkriminalität und Betriebsspionage rücken betriebswirtschaftliche Überlegungen immer mehr in den Vordergrund: Einfach und schnell muss es gehen! Der Weg ist nicht das Ziel, der Return On Investment (ROI) ist das Einzige was zählt.

Würde ein Hacker-Film aus den 80ern heute gedreht werden, sähe der Plot hoffentlich folgendermaßen aus: Der Angreifer startet einen kurzen Scan, wendet sich aber schnell ab – zu  kompliziert. Er besorgt sich über ein soziales Netzwerk eine Liste der Mitarbeiter und hält nach einem erfahrungsgemäß "leichten" Opfer Ausschau. Das sind meist kontaktfreudige, offene Menschen, mit wenig IT-Erfahrung und einem unbedarften Umgang mit IKT-Systemen. Die anschließende Suche nach der ausgewählten Person in einem vornehmlich privat genutzten sozialen Netzwerk fördert dann eine Vorliebe für niedliche Katzen oder tiefergelegte Autos zu Tage. Der Angreifer sammelt alle Informationen, mit deren Hilfe er vertrauenswürdige oder für den Empfänger zumindest begehrenswerte E-Mails konstruiert. Eine E-Mail mit augenscheinlich Hobby-relevantem Inhalt wird von der Zielperson angeklickt und der Angreifer hat Zugriff auf den Rechner des Opfers und somit meist auch auf die relevanten Daten im internen Netzwerk. Ziel erreicht.

Der indirekte Angriff

Ein weiteres Szenario erscheint auf den ersten Blick schwieriger, kommt aber in der Realität häufig vor: Es werden von Mitarbeitern der Zielfirma regelmäßig besuchte Webseiten ermittelt, die ein niedrigeres Schutzniveau aufweisen. Diese Webseiten werden mit einem Trojaner versehen und infizieren ausschließlich Besucher der Zielfirma, bis das gewünschte Ziel infiltriert ist. Diese Taktik ist als "Waterhole-Angriff" bekannt, denn das Wasserloch ist der beste Ort, um regelmäßig wiederkehrendem, durstigem Vieh aufzulauern. So unwahrscheinlich dieses Szenario klingen mag, der Firma Apple und einigen anderen ist genau das passiert.

Angriffe dieser Art sind zur heutigen Zeit Standard. Virenscanner helfen hierbei wenig, denn die die Trojaner sind meist selbst geschrieben, ohne den Hersteller von Anti-Viren-Software davon in Kenntnis zu setzen. Auch klassische Firewalls helfen nicht, denn die Opfer wurden nicht direkt von außen angegriffen, sondern sie haben die Schadsoftware selbst (unbewusst) auf ihren Arbeitsplatz geschleust.

Es gibt natürlich auch intelligente Firewall-Produkte, die JavaScript und Applets von vornherein herausfiltern. Doch diese Techniken werden selten aktiviert, denn sonst wäre ein Großteil der Webseiten nicht mehr benutzbar und ein hundertprozentiger Schutz kann selbst dadurch nicht gewährleistet werden.

Umdenken ist angesagt

Angenommen, eine intelligente Firewall ist im Unternehmen installiert und alle aktuellen Schutzmechanismen sind aktiviert. Weiß ein Angreifer davon, verschickt er USB-Sticks. Benutzen Sie USB-Blocking-Software, verschickt der Angreifer Teensy-Devices, die Eingabegeräte, wie Maus und Tastatur imitieren oder bittet die Reinigungskraft (oft auch gegen Bezahlung) ein Gerät einzustecken. Wir können die Angriffsliste fast endlos weiterführen. Es gibt immer einen Weg, auch wenn es recht aufwändig wird. Diese relativ hohe Hürde zu setzen, ist der aktuelle Verdienst der Sicherheitsindustrie.

Was aber tun, wenn es stets einen Weg in Ihr internes Netz gibt und sich nicht alle Einfallstore schließen lassen?

Die logische Konsequenz aus der Veränderung der Angriffstaktiken der Cyber-Kriminellen ist aus unserer Sicht, den eigenen Blickwinkel ebenfalls anzupassen. Die hohen Hürden haben Kriminelle zum Umdenken bewogen und das sollten Verteidiger ebenfalls tun. Das würde bedeuten, die internen Netze als genauso unsicher wie die externen zu betrachten. Nur wenn wir die Arbeitsplätze als kompromittiert betrachten und den Schutzbedarf interner Systeme mit dem externer Systeme gleichsetzen, können wir den aktuellen Angriffstaktiken etwas entgegensetzen. Ein infizierter Arbeitsplatz kehrt das Innere Ihres Netzwerks nach außen und ermöglicht dem Angreifer in gewohnter Manier zu handeln.

Nicht vergessen: Die Kommunikation nach außen

Neben einer strikten Trennung der internen Netzsegmente nach Schutzbedarf, Funktion und organisatorischen Einheiten muss die Kommunikation nach außen ebenfalls erschwert werden. Ohne diesen Kommunikationskanal wird es für den Angreifer schwierig, die eingeschleuste Schadsoftware aus der Ferne zu steuern. Und ganz platt gesagt: Gefühlsmäßig ist mir wichtiger, dass niemand etwas aus der Firma herausträgt, als herein.

Ich bin erleichtert, dass sich die Schutzmechanismen in dieser Richtung heutzutage rasch weiterentwickeln. Wenn die internen Hürden in Zukunft tatsächlich so groß sind wie die externen, bin ich sehr gespannt, wie sich die Angriffsszenarien der Zukunft verändern.

Eigentlich müssten wir noch über User-Awareness und die Webanwendungen als ewiges Sicherheitsrisiko sprechen, aber über diese Themen diskutieren wir ein Andermal.

Blog-Autor Rainer Giedat ist Geschäftsführer und Mitbegründer der NISDE ATTACK LOGIC GmbH. Er arbeitet seit über 14 Jahren in der IT-Security, davon mehrere Jahre als Software-Entwickler von Sicherheitssystemen, als Systemadministrator und IT-Sicherheitsverantwortlicher. Als Penetration-Tester führte er in Deutschland und der Schweiz zahlreiche Penetration-Tests und Sicherheitsberatungen bei namhaften Unternehmen durch.

Die NSIDE ATTACK LOGIC GmbH ist spezialisiert auf hochwertige technische Penetration-Tests und realitätsnahe Simulationen von IT-gestützter Betriebsspionage.